Nach  Geburt


Sommer 2000, Freilichtbühne Friedrichshain -
Carow`s „Coming out“ noch im Hinterkopf
gehen meine Füße fast wie von allein
zum Krankenhaus. Wie ein alter Zopf
hängt schwer mir etwas an,
was ich kaum greifen kann.

Dann dämmert`s mir, ein Film läuft ab:
schwarz-weiß und stumm, plötzlich ein Schrei.
Schnell bringt er Herz und Hirn auf Trab -
Schnitt, und die Szene ist vorbei.
Erblick´ das Licht der Welt zum ersten Mal,
getrübt vom Staub der Trümmer, matt und fahl.

Im Hintergrund Hügel aus Schutt und Schrott,
Bruch-Stücke von Schloß und Reichskanzlei.
Man tauft mich auf „Wolfgang von Mont Klamott“,
brand-neuer Adel nach Weltkrieg Zwei.
Auf Phosphor-Granaten, Bomben und Minen
folgt „Auferstanden aus Ruinen“.

Siebzehnter Juni, fast war ich sieben,
als Panzer die Stalin-Allee leer fegten.
Mochte den roten Stern nicht mehr lieben
und viele Lieder, die mich sonst bewegten.
Und als `68 in Prag Panzer brannten,
ging mehr entzwei als nur Bordsteinkanten.

Die westliche `68er Revolte
verfolgte ich nicht mit verklärtem Blick.
Das lag nicht daran, daß ich`s nicht wollte;
nur ein paar Tür`n hielten mich zurück
und Glasbausteine. Im Stasi-Knast
hab` ich ein paar Jahre Bewegung verpaßt.

10 Jahre nach dem Mauerbau
fiel`n für mich alle Mauern - ich wurd` umgezogen
von Berlin nach Berlin! Mit dem Morgentau
bin ich in Tempelhof eingeflogen.
„Bye bye love“ im Ohr schwebte ich über`s Rollfeld,
im alten Anzug weder West- noch Ostgeld.

Ich wurde empfangen von Tanten und Nichten,
neuer Ostpolitik  und - Berufsverboten;
und von vielen Rechten - und noch mehr Pflichten
sowie ein paar Linken, genannt „Chaoten“.
Mehr als nur eine dicke „Akte Endler“
wurde angelegt über Ost-West-Pendler.

Nun schreib` ich Geschichte - oder sind`s nur Geschichten
über allzu Deutsches, abgestanden und alt ?
Oder ließe sich daraus noch etwas verdichten
zur Erbauung, ganz ohne verbale Gewalt?
Hab` viel Federn als gerupfter Vogel gelassen.
Mit denen zu schreiben, möcht´ ich nicht bleiben lassen.