Ein Kotelett für Helmut
Helmut ist alt.
Sehr alt.
So richtig steinalt.
So Anfang sechzig.
Und Helmut hat Hunger.
Warum auch nicht?
Auch im Alter funktioniert der Magen, wenn auch sonst nicht mehr viel funktioniert.
Darüber macht sich Martha auch immer lustig. Martha ist Helmuts Frau,
und sie beschwert sich, dass Helmuts einziges Bedürfnis noch das Essen
sei.
Martha ist noch noch nicht ganz so steinalt wie Helmut, was die unterschiedliche
Bedürfnislage erklärt, wenn auch nur unzureichend.
Martha hat immer gern für Helmut das Heim sauber gehalten, gern für
ihn eingekauft, für ihn gewaschen und auch gern für Helmut gekocht.
Nur hat sie dafür auch etwas bekommen. Nähe, Zärtlichkeit,
Beischlaf.
Das sind Worte, die Helmut gar nicht mehr hören mag. Er mochte sie auch
früher nicht, aber damals hatten sie wenigstens noch einen erotischen
Unterton. Nun klingen sie nur noch anklagend.
Martha ist frustriert. Und Helmut – ist hungrig.
Immer noch.
Helmut will keine Diskussion über eheliche Pflichten, und wenn man schon
darüber diskutieren müsse, könne man ja auch gleich die Sache
auf den Tisch bringen, dass es ja auch schließlich Marthas eheliche
Pflicht sei, ihm sein Essen zuzubereiten.
Martha sieht das – natürlich – anders.
Aber wenn Helmut es so möchte: Einfache Rechnung. Beischlaf für
Martha gleich Kotelett für Helmut.
Helmut ist wütend. Er will für sein Recht auf Essen weder kämpfen
noch arbeiten müssen.
Folge?
Martha verlässt Helmut für einen heißblütigen, 50-jährigen
Italiener, der neben seinen überzeugenden Latin-Lover-Qualitäten
auch noch selbst kochen kann.
Und Helmut?
Helmut geht ins Altersheim. Etwas früh, zugegeben, aber zumindest bekommt
er dort sein Kotelett auch ohne Beischlaf. Obwohl ihm die Essensfrau schon
angeboten hat, ihm das nächste Mal zwei und eine extra Portion Kartoffeln
zu geben, wenn er sich dementsprechend dankbar zeigte.
Helmut denkt darüber nach.