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Das Schnarren der Türklingel frisst sich von der Eingangstür sehr engagiert und dienstbeflissen bis in mein Zimmer und gongt mich scheppernd aus dem Schlaf.
Im Traum fing ich gerade an, Trauben von einem Zweig zu knabbern, den mir eine etwa 19 jährige Prinzessin in Samt und Seide, aber lassen wir das.
Mein Wecker war noch nie eine verlässliche Quelle für Uhrzeiten, und ich hangele nach meiner Armbanduhr, die auf einem Hocker zusammen mit meiner Hose am anderen Ende des Zimmers heute früh liegen gelassen worden ist.
Der Hocker steht aber genau und ganz exakt einen halben Meter zu weit weg, um das Projekt Uhr erfolgreich abzuschließen, ohne mich aus dem warmen Bett lösen zu müssen.
Ich schicke die Uhr gedanklich zum Teufel, und mache mich auf den Weg in Richtung Ursachenforschung.
Mein Körper ist im Grunde nur eine, durch meinen Willen gesteuerte Masse Pizzateig. Eigentlich will ich gar nicht laufen, für willengesteuerten Pizzateig, ist eigentlich rollen, vielleicht noch krabbeln die bessere Fortbewegungsvariante, beschließe ich, und lasse mich auf alle viere hinunter. Dann mache ich mich mit zugeschaltetem Allradantrieb weiter auf den weg in die ungewissen Minuten, die zwischen mir, am Eingang meines Zimmers, und dem öffnen der Wohnungstür liegen.
Ich will nicht etwa zur Tür, weil mich die Neugier treibt und mich interessierte wer da was will, sondern um dem ungestümen Klingler vom Klingelknopf weg zu kriegen, und dann zu dieser Maharadschaprinzessin zurückzukehren, die mir die Trauben und so weiter.
Das mit dem Krabbeln geht gut, und ich mache so etwa einen Meter in drei Sekunden. Da ist ja die Küchentür schon, und bei dem Tempo, dass ich gemacht habe, finde ich, ich habe eine kurze Pause am Türrahmen echt verdient. Zwischen kurz durchatmen und mich auf den Rücken rollen finde ich, die Pizzateigidee war mein bester Einfall seit langem. Je wacher ich langsam werde, desto deutlicher höre ich mich selber krächzende Laute von mir geben, die in meinem Schädelinneren so ähnlich klingen, wie: “Moment bitte”, und “ich komme ja”.
Ich mache mich also nach dem kurzen Türrahmenintermezzo auf den Weg und krabbele, nach einer weiteren atemberaubenden Ewigkeit, mit meinen Fingern endlich den Wohnungstürrahmen in Richtung Türklinke hoch.
Das ist auch sehr anstrengend, und mit einem ִÄchzen von mir, und einem knackenden Rumpeln, öffnet sich endlich die Tür zum Hausflur.
Was dann kommt, verschlägt mir die Sprache. Sämtliche Flüche und Verwünschungen, die ich mir auf der Odyssee bis hierher zur Tür zurecht gelegt hatte, verblassen sehr schnell in meinem Hinterkopf zu einem zusammenhanglosen weißen Rauschen.
Da steht ein Zwerg in einem froschgrünen Smoking aus Latex, und weil ich immer noch auf allen Vieren bin, grinst er mir in Augenhöhe mit zwei tadellos vergoldeten, matt blinkenden Zahnreihen ins Gesicht.
An seinem Arm baumelt sehr gentlemanlike ein Regenschirm mit Hirschhorngriff. Die  Bespannung des Schirmes ist nicht klassisch schwarz, sondern signalrot und auf dem Zylinder, den der Wicht meint, auch noch tragen zu müssen, während er mich debil mit seinen Goldzahnreihen anfeixt, steht in gelben großen Lettern: “Pappa was a rolling stone”. In seinem Hosenbund steckt ein chromblitzender Revolver von überdimensionalen Ausmaßen.
Dieses farbige, stark grenzfallverdächtige Modepottpourie sorgt dafür, daß ich mir, immer noch von der morgendlichen Störung aufs äußerste überfordert, die Augen reibe. Der in mir aufsteigende Brechreiz, entlädt sich als geräuschvolles und mächtiges Rülpsen .
Der Zwerg geht einen Schritt zurück, und sagt trocken: “Na, na, wir wollen mal nicht gleich so familiär werden!” Ich denke schere dich zum Teufel und sage: “Was gibs denn?”
Der grellbunte Jahrmarktgnom klappt kurz seinen Mund auf und zu, so, als wenn er probieren wollte, ob die Kiefer noch funktionieren und voll einsatzbereit sind und zupft dabei an seiner pinkfarbenen Krawatte. Dann kommt eine Pose in der sein Latexsmoking quietscht und knirscht, bevor er ungefähr Folgendes rausläßt:
Er komme von der GEZ, nach eingehenden Nachforschungen hätten sich Verdachtsmomente gehäuft, die darauf schließen ließen, daß in meiner Wohnung nicht ordnungsgemäß angemeldete Radios und Fernsehapparate betrieben würden. Danach folgt eine Kaskade aus eventuellen rechtlichen Schritten und Konsequenzen seitens der Institution die er vertrete. Das persönliches Weltuntergangszenario, das er dann im Folgenden entwirft kann sich mit Filmen wie “The day after” und “Tod durch Hautkrebs” durchaus messen.
Nachdem er dann langsam zum Schluß kommt mit: “du hast nicht gezahlt und wenn du es nicht jetzt tust, komme ich gleich mit einem Freund noch mal wieder!” weiß ich was zu tun ist. Ich brauche nur auf den richtigen Moment zu warten.
Mein Blick gleitet über die Pistole in seinem Hosenbund.
Ich schließe kurz die Augen und sage zur indischen Schönen, die inzwischen sehr ungeduldig und zickig in meinem Kopf mit den Fingern trappelt und maunzt: “Willste noch Trauben oder nicht?”, “Ich komme gleich, Schatz. Bin gleich da”.
Als ich die Augen wieder öffne, ist der Zwerg endgültig fertig mit Reden.
Ich keuche: “Sonst noch was, endlich fertig?”
“Nö, ja.” höre ich den  Latexsmoking sagen. “Na denn is gut”, knurre ich, und so zackig wie der Gucci-Abgesandte Wixfrosch sich bisher bewegt hat, weiß ich, daß jetzt ein hartes, kleines aber nicht unverlockendes Stück Arbeit kommt.
Ich atme noch einmal kurz durch.
In einer einzigen fließenden Bewegung, wie man sie nur von den echten Profiindianern kennt, die, um Wagenburgen galoppierend, Pfeile zücken, den Flitzebogen spannen um dann den Peil, reitend in harmlosen weiße Siedler zu platzieren, genauso flüssig greife ich dem Wicht an seinen Hosenbund, ziehe die 3.57 Magnum, entsichere noch im Ziehen mit dem Daumen den großen schönen und  blanken Revolver, indem ich das seitliche Sicherunghebelchen nach unten klipse, und setze ihm die Mündung des silbernen Laufes zwischen die Augen, da wo bei ihm die Augenbrauen einen buschigen zusammengewachsenen Haarwulst bilden.
Dann ziehe ich, breit grinsend, voll durch.
Beim ersten Knall fetzt die Schädeldecke mitsamt der blödsinnigen Zylinderaufschrift, hinter ihm gegen die Hausflurwand.
Durch die Wucht des nach hinten aufplatzenden Kopfes, knickt der Wichteloberkörper meines ganz speziellen öffentlich rechtlichen GEZ-Freundes im rechten Winkel nach unten weg.
Ich gebe ihm noch eine in den Brustkorb, was einen ähnlich unansehnlichen Effekt hat, wie die in den Kopf, und weil es sich für mich gut anfühlt noch eine in den grünen Latex Bauch. Das Revolverding knallt gar nicht, es bellt fauchend.
Dann lasse ich die Kanone in die noch warme, zuckende organische Masse fallen und knalle die Tür zu. Dann sage ich, so wie es einfach nur der Jacobs-Luigi kann, wenn sich seine Nachbarin über das falsch abgestellte Auto beschwert: “Isch abe gar keine Radio un Färnsäher!”
Wenig später kommen die persische Prinzessin und ich richtig zur Sache und während ich mit geschlossenen Augen so daliege, sie mir den Bauch streichelt und so Sachen flüstert, die jeder Mann so gerne hört, Sachen, die was mit Pferden und Bomben zu tun haben, summt mich ein weiteres Geräusch aus dem seligen Schlummer.